Wilder Mut

Inmitten all der Strukturiertheit des Linzer Hauptbahnhofes wachsen Blumen. Wild.

Wenige Zentimeter neben den Rädern der dahindonnernden Züge. Wahrscheinlich ein ständiges Ärgernis für die Bahnhofsverwaltung. Und Unternehmensberater raten von diesem Standort sicherlich auch ab.

Mich beeindrucken diese Pflanzen. Niemand hat ihnen diesen Standort angeschafft. Sie sind von selber an diesem Ort aufgegangen und groß geworden. Die über sie hinwegbrausenden Züge beeinflussen ihr Leben sicherlich, aber verhindern es nicht. Ist es bei uns Menschen nicht auch so? Sind wir nicht auch mehr in unserer Kraft, wenn wir uns unseren Standort selber ausgesucht haben?

Mich begeistert diese Kraft, Vitalität und Schönheit. Sie sind anders als ihre Umgebung und doch leben sie. Diese Pflanzen tragen nichts zum Transportauftrag der Bahn bei. Aus dieser Perspektive erfüllen sie keinen Zweck. Aber ich lächle in dem Moment, indem ich sie entdecke. Welch eine Widerstandsfähigkeit! Welch ein Mut an dieser Stelle zu wachsen! Ja, diese unscheinbaren Blümchen machen mir Mut, während ich auf den Zug warte.

Und sie machen mich gleichzeitig auch nachdenklich. Haben wir in unseren Meetings nicht auch ganz oft ganz viel Struktur? Takten wir nicht alles eng durch? Lassen wir noch Raum um miteinander zu reden, einander wirklich zu zuhören? Wie oft sitzen wir im Meeting und denken: „das habe ich doch schon einmal gehört“?
Gleichzeitig suchen viele EntscheiderInnen und Organisationen MitarbeiterInnen, die neue, mutige Vorgangsweisen finden und umsetzen wollen. Wo ist Platz für diese Vitalität und Lebendigkeit in unseren Teams? Wo ist der Spielraum für die Unerschrockenheit in unseren Meetings?

Ich sage nicht, dass wir keine Strukturen brauchen. Aber brauchen wir nicht auch Räume in denen wir einfach die Möglichkeiten erkunden? Und besser kennenlernen und genau hinschauen, was jetzt genau die Frage ist? Vordergründig absichtslos. Zweckfrei. Ziellos schauen, was gerade ist. Um die Wildheit und den Mut wieder zu entdecken! Um das Neue, das in den bestehenden System wächst zu sehen und zu schätzen.